Der spektakuläre Neubau des Zentralgebäudes der Leuphana Universität Lüneburg interpretiert energieoptimiertes Bauen einmal anders. Der Anspruch auf Nachhaltigkeit zeigt sich konzeptionell in der Vermeidung von Kühlbedarfen und in minimierten Strombedarfen für Belüftung und Beleuchtung. Bemerkenswert ist die freie Lüftung über öffenbare Fenster in Kombination mit einer selbstverschattenden Fassade und schaltbarer Verglasung. Die Energieversorgung erfolgt im Campusverbund klimaneutral, wobei das Gebäude als Niedrigexergie-Wärmeabnehmer konzipiert ist.
Projektkontext
Der Neubau eines Zentralgebäudes wurde im Jahr 2007 zeitgleich mit der Neuausrichtung der Universität als humanistische, handlungsorientierte und nachhaltige Universität für die Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts beschlossen. Das Projekt ist eng verzahnt mit der ebenfalls im Rahmen dieses Prozesses getroffenen Entscheidung klimaneutral werden zu wollen. Grundlegend für die Erreichung dieser Ziele ist die nachhaltige bauliche Entwicklung des Hauptcampus Scharnhorststraße, die im Rahmen eines EnEff:Stadt-Projektes durchgeführt wird.
Der Neubau wurde von dem Architekten Daniel Libeskind in Zusammenarbeit mit studentischen Seminaren und einer Summerschool entworfen. Mit der Konzeption als Niedrigexergie-Wärmeabnehmer ist das Gebäude auch funktionaler Bestandteil der Energiesystem-Konzeption für den Campus.
Forschungsfokus
Ein besonderes Augenmerk galt der Konzeption eines Energiesystems mit Aquifer-Wärmespeicher. Der Wärmespeicher profitiert direkt von den Niedrigexergie-Heizsystemen des Zentralgebäudes, das mit 58°C Vorlauf versorgt wird und rund ein Drittel der Wärmeleistung intern kaskadiert auf dem Temperaturniveau 35/25°C nutzt.
Ebenfalls untersucht werden soll die Einbindung der Nutzer über ein interaktives Interface, das die Gebäudefunktionen per Smartphone oder PC bedienbar macht und zugleich Feedback zum Energieverhalten und richtigem Lüften gibt. Hierfür sind im gesamten Gebäude, auch in nicht mechanisch belüfteten Bereichen, CO2-Sensoren angebracht.
Das System wird zunächst in Modellräumen mit verschiedenen Systemen zur Präsenzerfassung getestet. Die schaltbare Verglasung E-Control wird erstmals in einem solchen Umfang an der Südost- und Südwestfassade eingesetzt. Damit soll in diesen Bereichen ohne aktive Kühlung der sommerlicher Komfort gesteigert werden. PCM-Klimadecken, Vakuumisolationspaneele in besonderen Bereichen, LED-Beleuchtung und die hinterlüftete Zinkfassade komplettieren das Gebäudekonzept.
Konzept
Gebäudekonzept
Die Daniel Libeskind eigene Formsprache setzt sich auch am Kasernenkonversionsstandort in Lüneburg mit der Zeit des Nationalsozialismus und dem Aufbrechen starrer Strukturen auseinander, die durch die Vermeidung von rechten Winkeln zum Ausdruck gebracht werden soll. Das Gebäude soll für Seminare, Vorlesungen, Büroarbeitsplätze, ein großes Audimax und für Ausstellungen und Veranstaltungen Flächen bereitstellen. Außerdem ist eine Cafeteria und eine Maschinenhalle im Gebäude untergebracht. Aufgrund der speziellen Formgebung entstehen auch in den Regelgeschossen des mittleren Gebäudeteils, dem Forschungszentrum, offen nutzbare Bereiche, beispielsweise für spontane Besprechungen. Im 5. und 6. Geschoss setzen sich diese als Open-Space-Bereiche für studentische Arbeitsplätze fort. Der Seminarraum im 7. OG und eine Terrasse im 5. OG bieten eine Aussicht über Lüneburg.

Das Foyer des Zentralgebäudes kurz vor der Einweihung am 11. März 2017
© Leuphana Universität Lüneburg
Das neue Zentralgebäude der Leuphana Universität wurde vom Architekten Daniel Libeskind entworfen. Das Gebäude in einer Visualisierung.
© Leuphana Universität LüneburgWeitere Abbildungen

Cafeteria: Visualisierung von innen
© Leuphana Universität Lüneburg
Seminarzentrum: Visualisierung von innen
© Leuphana Universität LüneburgEnergiekonzept
Das Energiekonzept orientiert sich am Vermeiden elektrischer Bedarfe für Licht, Lüftung und Kühlung. Hierfür wird in den fassadenseitigen Bereichen des Forschungszentrums (Einzel- und Doppelbüros) auf mechanische Lüftung und aktive Kühlung verzichtet. Öffenbare Fenster sowie die schaltbare E-Control-Verglasung sollen zusammen mit der selbstverschattenden Fassade für erträgliche Temperaturen im Sommer sorgen. Das Gebäude-Nutzer-Interaktionssystem bietet auf Basis der Gebäudesensorik situationsgerechte Tipps zum richtigen Lüften. Dies soll die winterlichen Wärmeverluste und auch Wärmeeinträge durch offene Fenster bei höheren Außentemperaturen gering halten.
Innenhöfe, Lichtschächte, Oberlichter und transparente Türelemente lassen das Tageslicht auch in die inneren Bereiche. Die energieeffizienten LED-Stehleuchten in den Büros werden wie die Verkehrsflächen- und Seminarraum-Beleuchtung präsenz- und tageslichtabhängig gesteuert. In innenliegenden Besprechungsräumen kommt eine PCM-Kühldecke und CO2-abhängig gesteuerte Lüftung zum Einsatz, die Lüftung in den Bereichen Auditorium, Studierendenzentrum und Seminarzentrum ist ebenfalls CO2-abhängig gesteuert. Die Wärmeversorgung inklusive Warmwasser geschieht auf mittlerem Temperaturniveau aus dem klimaneutral versorgten Campusnetz, wobei eine interne Kaskadierung – in den RLT-Zentralen wird ein Temperaturniveau von 35/25°C genutzt – das warme Wasser bis auf 25°C auskühlt, um die Anwendung von Wärmespeichern effizienter zu machen.
Auszeichnung
Der Neubau ist Bestandteil des Projekts "Klimaneutraler Campus", der im September 2016 für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert wurde. Die Sieger des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgelobten Forschungspreises wurden in Kooperation mit der Wissenschaftssendung „nano“ auf 3sat über ein Online-Voting ermittelt. Der Campus in Lüneburg hat es unter die Top 3 geschafft.
Projektkenndaten
Gebäudekenndaten
Konstellation: Who is who? | |
Bauherr | Stiftung Leuphana Universität Lüneburg |
Nutzer | Leuphana Universität Lüneburg, Stadt und Landkreis Lüneburg, Externe |
Gebäudetyp | Universitätsgebäude |
Baujahr des Gebäudes | 2017 |
Planungsbeginn | 2007 |
Fertigstellung | 12.2016 |
Inbetriebnahme | 03.2017 |
Flächengrößen/Maße | |
Bruttogrundfläche (nach DIN 277) | 21.174 m² |
Beheizte Nettogrundfläche (für Nichtwohngebäude, in Anlehnung an DIN 277) | 17.400 m² |
Bruttorauminhalt | 111.740 m³ |
Arbeitsplätze (oder Schüler oder vergleichbare Personenangaben) | 300 Personen |
A/V-Verhältnis (ggf. vor / nach Sanierung) | 0,20 m²/m³ |
Energiekenndaten
Energiekennwerte Bedarf | ||||
Neubau / nach … | vor Sanierung | |||
Heizwärmebedarf (Nutzenergiebedarf Wärme) | 40,00 | kWh/m²a | ||
Primärenergie Wärme | 5,00 | kWh/m²a | ||
Primärenergie Gesamt | 86,00 | kWh/m²a |
Kostenkenndaten
Baukosten bzw. Sanierungskosten | ||
Kosten für die (Sanierung der) Baukonstruktion [KG 300] | 1.922 | EUR/m² |
Kosten für die (Sanierung der) Technischen Anlagen [KG 400] | 704 | EUR/m² |