Museen sind zumeist monumentale öffentliche Gebäude mit architektonisch anspruchsvollen Fassaden und sehr langlebig. Viele stehen heute unter Denkmalschutz – eine Sanierung stellt daher die Verantwortlichen vor große Hürden. Die energetische Sanierung eines Gebäudetrakts der Kunsthalle Mannheim soll zeigen, welche Kosten- und Energieeinsparungen bei einem solchen Gebäude erreichbar sind. Mit der Sanierung wird der Primärenergiebedarf für den Billing-Bau der Kunsthalle Mannheim um etwa 40 Prozent reduziert.
Projektkontext
Die Kunsthalle Mannheim prägt seit über 100 Jahren das kulturelle Leben der Industriestadt am Rhein. Deutschlandweit zählt sie mit herausragenden Werken von Edouard Manet bis Francis Bacon und einem singulären Skulpturenschwerpunkt zu den renommiertesten Sammlungen der Moderne und Gegenwart.
Der Gesamtkomplex der Kunsthalle Mannheim besteht aus dem Billing-Bau, dem Athene-Trakt (beide 1907 errichtet) und dem Mitzlaff-Bau (1983). In den letzten Jahren traten jedoch die Schwächen der Gebäude immer stärker in Erscheinung, was befürchten ließ, dass die hohen Ansprüche der Kunsthalle künftig nicht mehr erfüllt werden könnten. Daraufhin beschloss der Mannheimer Gemeinderat 2007 eine mehrstufige Generalsanierung der Gebäude. In der Folge wurde das Sanierungsprojekt als EnSan-Modellprojekt mit hohem energetischen Anspruch projektiert und inzwischen wissenschaftlich evaluiert.
Von 2009 bis Anfang 2013 wurde der im Jugendstil errichtete Billing-Bau saniert, bei laufendem Museumsbetrieb im benachbarten Mitzlaff-Bau. Mit der Sanierung sollten die historischen Schauräume wiederhergestellt werden. Das heißt, die historischen Tageslichtdecken sollten reaktiviert, die Ausstellungsflächen erweitert und eine den internationalen Standards entsprechende technische Ausrüstung installiert werden, um auch künftig publikumswirksame Ausstellungen zu ermöglichen.
Forschungsfokus
Die meisten Museumsgebäude verfügen über keinen oder einen nur unzureichenden Wärmeschutz. Mit umfangreicher Gebäudetechnik und hohem Energieeinsatz wird versucht, den notwendigen thermischen und visuellen Komfort sowie die konservatorischen Anforderungen dennoch zu erfüllen. Die aus heutiger Sicht überdimensionierten Heizungs- und Lüftungsanlagen sind oftmals regelungstechnisch nicht in der Lage, sich auf eine zunehmend variable Raumnutzung einzustellen. Speziell die Fenster sind anspruchsvolle Bauteile, die in Museen neben den klassischen Aufgaben der Belichtung einen hohen Einfluss auf das Raumklima und den konservatorischen Objektschutz haben. Schlecht geplante Tageslichtnutzung und umfangreicher Kunstlichteinsatz führen zu einem hohen Kühlbedarf. Derartige Gebäudemängel bringen nicht nur hohe Energiekosten mit sich, sie belasten nach neueren Erkenntnissen auch Kunstwerke und Nutzer – durch Asymmetrien der Wärmestrahlung, durch zu große Temperaturgefälle und zu viel UV-Licht im Tageslichtangebot.
Gleichzeitig liegen kaum Erfahrungen über die energetische Effizienzsteigerung von Museen vor, speziell, wenn es sich um denkmalgeschützte Gebäude handelt. Mit diesem Vorhaben soll den Verantwortlichen die Scheu vor der energetischen Sanierung genommen und aufgezeigt werden, welche Kosten- und Energieeinsparungen erzielt werden können.
Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik und das Institut für Gebäude- und Solartechnik der Universität Braunschweig führten im Auftrag der Stadt Mannheim eine energetische Gebäude- und Anlagenanalyse für den Billing-Bau durch und erstellten ein Energiekonzept unter Berücksichtigung der Anforderungen des Denkmalschutzes. Zielsetzung war es, den Energieverbrauch des Gebäudes drastisch zu senken und dabei den Charakter, die Architektur und die Nutzungsmöglichkeit nicht zu verändern. Außerdem sollte der thermische Komfort durch höhere Oberflächentemperaturen der Bauteile erhöht werden.
Im vorliegenden Projekt sollte gezeigt werden, dass auch Museumsbauten, die aufgrund ihrer raumklimatischen Anforderungen einen hohen Energiebedarf aufweisen, auf einen Energiestandard von 30% unter EnEV 2007 gebracht werden und trotzdem den besonderen konservatorischen Nutzungsanforderungen gerecht werden können. Gleichzeitig wurden bei dem Projekt viele innovative Materialien eingebaut und messtechnisch begleitet: So beispielsweise Vakuumdämmung (VIP), LED-Beleuchtung und spezielle Materialien für die Innendämmung. Das wissenschaftliche Monitoring lief über zwei Jahre.
Konzept
Sanierungskonzept
Der Billing-Bau wurde 1907 nach den Entwürfen des Karlsruher Architekten Herrmann Billing errichtet. Auf einer Nettogrundfläche von 3.797 Quadratmetern sind Ausstellungsräume, Bibliothek, Werkstätten, Restaurierung, Buchbinderei, Büros und Lagerräume untergebracht.
Zur Reduzierung des Energieverbrauchs und Stabilisierung des Raumklimas wurden zahlreiche Einzelmaßnahmen an der Gebäudehülle geplant. Eine Verbesserung des U-Wertes der Außenwände und der Wände gegen Erdreich erfolgt durch eine Innendämmung mit Kalziumsilikatplatten. Im Bereich der Fenster wurde eine zweite innere Fensterebene bestehend aus thermisch getrennten Aluminium-Rahmen und einer Zweifach-Wärmeschutzverglasung eingebaut. Die ursprüngliche Situation mit der Zufuhr des Tageslichtes durch das Dach zu den Ausstellungsräumen wurde wieder hergestellt, indem die opake Holzverschalung über der Glasdecke entfernt und eine hochwertige Wärmeschutzverglasung in die Dachebene integriert wurde. Die Bodenplatte gegen Erdreich wurde konventionell gedämmt.

Vor der Sanierung: In diesem Ausstellungsraum im Erdgeschoss sind die Nischen im Brüstungsbereich durch einen Vorbau geschlossen.
© Fraunhofer IBP
Während der Sanierung: Nun wird eine zweite Fensterebene eingebaut
© Fraunhofer IBPWeitere Abbildungen

Nahezu abgeschlossene Arbeiten: Die zweite Fensterebene und ein thermoaktives Deckensystem sind bereits fertiggestellt.
© Fraunhofer IBP
In diesem Ausstellungsraum im 1. OG wird die Tageslichtdecke wieder freigelegt und zur Tageslichtnutzung aktiviert. Zugleich wird ein Kapillarsystem im Fußboden zur Raumbeheizung und -kühlung verlegt.
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Anbringung der Innendämmung mit integrierter Wandtemperierung im gleichen Raum
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Die ursprünglichen Glasdecken wurden zwecks Reaktivierung der Tageslichtnutzung wiederhergestellt
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Die ursprünglichen transparenten Glasdecken wurden im Laufe der Zeit mit einer Holzverschalung abgedeckt. Damit sollten die hohen Wärmeverluste durch die Glasdecke reduziert werden.
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Das Glasdach erhält mit der Sanierung eine wärmedämmende Spiegelrasterverglasung, außerdem wurden die Glasdecken freigelegt, so dass wieder viel Tageslicht in die Ausstellungsräume im 1. OG gelangt.
© Fraunhofer IBP
Ausstellungsraum im 1. OG mit fertiggestellter Glasdecke zur Tageslichtnutzung und neuem Anstrich
© Fraunhofer IBPEnergiekonzept
Die Beheizung und Kühlung der Räume, die bis zur Sanierung im Wesentlichen über das Medium Luft erfolgte, erfolgt jetzt über eine Flächentemperierung in Wänden, Fußböden und Deckensegeln. Eine Besonderheit stellt die Integration der Bauteilheizung in die Dämmebene dar. Der Luftwechsel kann reduziert werden, weil er sich somit nur noch an den hygienischen und konservatorischen Anforderungen orientiert. Das Gebäude wird über die Fernwärme des örtlichen Energieversorgers versorgt (Primärenergiefaktor 0,48).
Die Kühlung erfolgt als solare Kühlung über ein Kollektorfeld auf dem benachbarten Mitzlaff-Bau, womit die Wärme für eine Absorptionskältemaschine bereitstellt wird. Zusätzlich kann hier der günstige Primärenergiefaktor der Fernwärme ausgenutzt werden, in dem diese auch für die thermisch angetriebene Kühlung genutzt wird. Ergänzend ist für Spitzenlasten eine Kälteerzeugung mit einer klassischen Kompressionskältemaschine vorgesehen.
Im Unterschied zu dem Ausgangszustand werden heute beide Ausstellungsgeschosse des Billing-Baus vollständig klimatisiert. Zuvor gab es nur im Obergeschoss eine Klimaanlage. Zusätzlich wird das für Büros genutzte Untergeschoss mechanisch be-und entlüftet.
Performance und Optimierung
Der Stromverbrauch lag 2014 bei 91,1 kWh/m2a und in 2015 bei 102,1 kWh/m2a und damit deutlich über den Berechnungen nach DIN V 18599. Der Hauptanteil wird für die Beförderung der Luft benötigt, gefolgt vom Stromverbrauch für die Beleuchtung und für die Kompressionskältemaschine. Die Primärenergieeinsparung liegt dadurch insgesamt nur bei ca. 20%.
Die raumklimatischen Anforderungen können durch die installierten technischen Komponenten mit dem entwickelten Technikkonzept erfüllt werden. Dennoch treten insbesondere in den Sommermonaten teilweise hohe Schwankungen in den Untersuchungsräumen aufn, die die zulässigen Bereiche über- bzw. unterschreiten. Da hier nicht von langfristigen Belastungen der Kunstwerke auszugehen ist, wird dieser Umstand als unkritisch eingestuft.
Aufgrund von Defekten konnten die Absorptionskälteanlage und die Kompressionskälteanlage nicht der Planung entsprechend eingesetzt werden. Die Möglichkeit zur Freikühlung wurde kaum genutzt. Die Beleuchtung wird nicht tageslichtabhängig geregelt, was den Stromverbrauch erhöht. Auch die Lüftungsanlage läuft im Dauerbetrieb. Änderungen in der Betriebsweise könnten deshalb hohe Einsparungen bewirken und dazu beitragen, die ursprünglich gesteckten Ziele zu erreichen.
Wirtschaftlichkeit
Mit den verschiedenen Sanierungsmaßnahmen sollten – bezogen auf das Jahr 2009 – insgesamt etwa 10 Prozent der Betriebskosten eingespart werden. Dies sollte hauptsächlich durch reduzierte Energiekosten erreicht werden, denn hier sollen 25 Prozent Kosten für Fernwärme und Strom eingespart werden. Und dies obwohl im sanierten Zustand nun die komplette Ausstellungsfläche klimatisiert ist. Aufgrund der aufwendigeren Technik und der größeren versorgten Fläche werden die Wartungs-und Instandhaltungskosten vermutlich etwas ansteigen. Gleiches gilt für die Reinigungskosten. Mit der hochwertigen Generalsanierung des Gebäudes können unterm Strich bei verdoppelter klimatisierter Fläche und einem verbesserten Raumklima die Betriebskosten annährend konstant gehalten werden.
Projektkenndaten
Gebäudekenndaten
Konstellation: Who is who? | |
Bauherr, Investor | Stadt Mannheim |
Betreiber, Nutzer | Kunsthalle Mannheim |
Gebäudetyp | Museum |
Baujahr des Gebäudes | 1907 |
Sanierungsbeginn | 2009 |
Fertigstellung | 2013 |
Inbetriebnahme | 2013 |
Flächengrößen/Maße | |
Bruttogrundfläche (nach DIN 277) | 4.872 m² |
Beheizte Nettogrundfläche (für Nichtwohngebäude, in Anlehnung an DIN 277) | 3.935 m² |
Bruttorauminhalt | 24.070 m³ |
Arbeitsplätze (oder Schüler oder vergleichbare Personenangaben) | 25 Personen |
Nutzfläche AN (nach EnEV) | 3.274 m² |
A/V-Verhältnis (ggf. vor / nach Sanierung) | 0,30 m²/m³ |
Energiekenndaten
Energiekennwerte Bedarf | ||||
Neubau / nach … | vor Sanierung | |||
Heizwärmebedarf (Nutzenergiebedarf Wärme) | 390,60 | 189,60 | kWh/m²a | |
Primärenergie Wärme | 188,70 | 109,60 | kWh/m²a | |
Primärenergie Gesamt | 525,30 | 212,50 | kWh/m²a | |
Energiekennwerte gemessen (Verbrauch) | ||||
Neubau / nach … | vor Sanierung | |||
Endenergie Strom gesamt | 122,60 | kWh/m²a | ||
Endenergie Wärme | 189,30 | kWh/m²a | ||
Primärenergie Gesamt | 409,60 | kWh/m²a |
Kostenkenndaten
Baukosten bzw. Sanierungskosten | ||||
Kosten für die (Sanierung der) Baukonstruktion [KG 300] | 1.501 | EUR/m² | ||
Kosten für die (Sanierung der) Technischen Anlagen [KG 400] | 1.253 | EUR/m² | ||
Nutzungskosten | ||||
Neubau / nach … | vor Sanierung | |||
Energiekosten gesamt | 55,70 | EUR/m²a | ||
Heizenergie gesamt | 13,50 | EUR/m²a | ||
Strom gesamt | 27,30 | EUR/m²a |